Politische Bildungsarbeit in der Begegnungsstätte Schloss Gollwitz

1. Einführung und Überblick

Die Politische Bildung der Stiftung Begegnungsstätte Gollwitz wird seit der Gründung im Jahr 2001 kontinuierlich weiterentwickelt. Seit der Eröffnung der Begegnungsstätte im Mai 2009 organisieren wir Bildungs- und Begegnungsprojekte gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus für politische Partizipation und Stabilität der Demokratie mit vielfältigen Methoden und Arbeitsweisen.

Auch für die Zukunft der politischen Bildungsarbeit in unserem Haus wird die Kombination aus historisch-politischem Lernen, interkulturellem und sozialem Lernen und der Auseinandersetzung mit eigenen Erfahrungen und Einstellungen den Schwerpunkt bilden. Uns ist es ein wichtiges Anliegen, die Jugendlichen bei der Entwicklung eines historischen Bewusstseins zu unterstützen. Dabei spielt Wissensvermittlung eine wichtige Rolle, wobei politische Bildung an dieser Stelle nicht enden darf.

Es ist wichtig, den Jugendlichen einen Raum zu geben, in dem sie mit verschiedenen Methoden experimentieren und Eigeninitiative im Umgang mit historischen und aktuellen Themen zeigen können, um so ihre politische Urteilsfähigkeit zu entwickeln. Basierend auf dieser Annahme versuchten und versuchen wir Projekte zu erarbeiten, die den Wünschen und Anforderungen jugendlicher Lebenswelten entsprechen.

Qualitätssicherung

Unsere aktuellen Bildungsangebote basieren auf Seminaren der vergangenen Jahre und deren Evaluation mit den Teilnehmenden. Die Geschichte des Nahostkonflikts bearbeiten wir seit 2010. Ursprünglich ging unser Material bis 1967. Die Auswertungen zeigten, dass der Wunsch bestand bis in die Gegenwart zu arbeiten und so überarbeiteten wir das Material. Die Kritik am anfänglichen Rollenspiel, brachte uns dazu ein Planspiel daraus zu entwickeln, mit dem wir seit 2014 arbeiten.

Die verstärkte Frage nach dem Umgang mit Vorurteilen und der Arbeit mit Medien und Technik, führte zur Entwicklung der Seminare zur Anti-Diskriminierungsarbeit und den Clips für mehr Respekt. In den Feedback-Bögen lassen wir den Ablauf, den Erkenntniserwerb, den Gesamteindruck des Seminars und die Fachkompetenz der Referent_innen bewerten. Die Teamauswertungen während und nach den Seminaren dienen der gegenseitigen Einschätzung der pädagogischen Arbeit und des fachlichen Umgang mit den Seminarthemen.

Geschlechterorientierte Bildungsarbeit

Unsere politische Bildungsarbeit bietet eine breite Palette an Inhalten und Formaten, in denen auf unterschiedliche Weise auf die Lebenslage von Jungen, Mädchen, jungen Frauen und jungen Männern eingegangen wird. Die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen, gesellschaftlichen Erwartungen und der Entwicklung einer eigenen Identität ist für uns ein Querschnittsthema. Wir hoffen die Jugendlichen dabei zu unterstützen, ein Bewusstsein für eine geschlechtliche Gleichberechtigung zu entwickeln.

Zielgruppen

Jugendliche im Alter von 12 – 26 und deren Multiplikator_innen sind unsere Zielgruppe. Dabei arbeiten wir mit Schulklassen, Vereinen, Verbänden oder konfessionellen Gruppen. Unsere Angebote sind an alle Interessierten gerichtet und diesen zugänglich. Wir sind ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe des Landes Brandenburg und viele unserer Teilnehmenden sind Brandenburger_innen und Berliner_innen. Es zeigt sich, dass in den letzten zwei Jahren die Teilnahme von Interessierten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen, Nordrhein-Westfalen stetig zunimmt.

2. Bildungsarbeit im Detail

2.1. Begegnung mit Holocaust-Überlebenden – Kritischer Umgang mit deutscher Geschichte

2.1.1. Darstellung und Lernziele
Wir laden jährlich Überlebende des Holocaust ein und organisieren Gespräche mit Schulklassen und interessierten Bürger_innen. Der kritische Umgang mit der deutschen Geschichte ist eine wichtige Basis, um der Entwicklung von autoritären Strukturen entgegen zu wirken. Die Bewahrung und Aufbereitung dieser Zeugnisse zusammen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen unterstützt deren Entwicklung eigener moralischer Werte und hilft die Bedeutung der universellen Menschenrechte zu verstehen.

2.1.2. Didaktische Methoden
Oral History - Die Methode des Sprechenlassens des/der Zeitzeug_innen, ohne Erklärungen einer weiteren Person ermöglicht den Zuhörer_innen auf sehr eindrucksvolle Art, die Erfahrungen, Gefühle und Sichtweisen des/der Erzählers_in.

So entstand aus einem Gespräch mit Marga Goren im Jahr 2010 ein Film und es ergab sich eine erneute Begegnung mit ihr in Gollwitz. Dieser Film wird dieses Jahr Hebräisch untertitelt, die Zeitzeugin ist im April erneut bei uns zu Gast und wir werden den Film voraussichtlich im Herbst in Israel vorstellen. (DVD liegt bei.)

2.2. Die Geschichte des Nahostkonflikts – Historisch-Politisches Lernen

2.2.1. Darstellung und Lernziele
Der stets aktuelle Nahostkonflikt beschäftigt viele Menschen, deshalb besteht ein wichtiges Angebot von uns darin, sich mit der Geschichte des Konflikts auseinanderzusetzen sowie die Entwicklungen, Einflüsse und vor allem die diversen Konfliktparteien kennen zu lernen.

Die historisch-politische Auseinandersetzung unterstützt die Entwicklung der eigenen politischen Meinung und Handlungsfähigkeit. Es geht darum, an demokratischen Aushandlungsprozessen teilzunehmen. Die Informationen über die Vergangenheit sollen mit der Gegenwart verbunden und die Komplexität eines internationalen Konflikts erkannt werden.

2.2.2. Didaktische Methoden
Expertengruppen – es entsteht die Möglichkeit einen Überblick über einen breiten historischen Zeitraum zu geben. Sie befähigt die Teilnehmenden sich in Informationen zu einem bestimmten Abschnitt/Thema zu vertiefen und deren Aufbereitung eigenverantwortlich zu erarbeiten. Wir verteilen Material (Texte, Fotos, Zitate) zu den historischen Entwicklungen im Nahen Osten ab 1881. Das Material wird in 10 Stationen unterteilt. In Arbeitsgruppen aufgeteilt, bearbeitet jede Gruppe eine Station und bereitet ein Poster vor, das den anderen Teilnehmenden den bearbeiteten Zeitabschnitt erklärt. Jede Gruppe präsentiert ihr Poster im Plenum, beantwortet Fragen und ist bis zum Ende des Seminars die „Expert_innen-Gruppe“ zu der Station.

(Diese Methode haben wir in abgewandelter Form in einer deutsch-israelischen Jugendbegegnung angewandt. Jede Gruppe stellte der anderen die Migrationsgeschichte des eigenen Landes vor, wie Gesetze und Einwanderungsgruppen und Zeiten. In einem zweiten Schritt bettete jeder Teilnehmende seine Familiengeschichte in diesen makro-historischen Kontext. Die Verbindung aus historischem Wissen und der eigenen Biographie ließ eine eindrucksvolle Lernsituation entstehen, für den Erzählenden wie auch den Zuhörenden.)

Nachricht aus Israel - gibt den Teilnehmenden die Möglichkeit selbst durch Wort und Bild „Meinung zu machen“ bzw. sich kritisch mit der Funktionalisierung von Bildern und Worten in den Medien auseinander zu setzen. Bei dieser Methode wird zu einem Vorfall ein Text im Konjunktiv II geschrieben und mit einem Stapel Bildern aus der Presse, dem Internet, Zeitschriften etc. versehen. Es werden Kleingruppen eingeteilt und jede Gruppe erhält das gleiche Material mit der Aufgabe daraus einen 30-sekundigen Nachrichtenclip erstellen (mit einer eigenen Text- und Bildauswahl). Im Nachgang erhalten die Gruppen von uns sehr kontroverse Meinungen, die sie in den Clip einfließen lassen sollen, ohne diese direkt zu äußern. Die Clips werden gemeinsam angesehen, anschließend die Meinungen extrahiert und analysiert.

Planspiel – ist eine handlungsorientierte Methode des Lernens, um demokratische Prozesse des Aushandelns zu erproben. Sie lebt von der Partizipation der Teilnehmenden. Durch das Simulieren einer Friedenskonferenz mit zugeschriebenen Rollen (Israelische und Palästinensische Delegierte, U.N. und Presse) und vorgegebenen Spielregeln, können die Teilnehmenden die Positionen der Akteur_innen im sicheren Raum „ausprobieren“. Schnell wird klar, dass die Problemlage sehr komplex ist und die Kompromissfindung von vielen Faktoren abhängt.

2.3. Clips für mehr Respekt – Medienpädagogik und Partizipation in einem Kurzfilm

2.3.1. Darstellung und Lernziele
In diesem Projekt entwickeln die Teilnehmenden eine Filmidee, erarbeiten ein Storyboard, schauspielern, filmen und schneiden einen Kurzfilm zum Thema Umgang mit Menschen. Erfahrungen mit Fremdenfeindlichkeit finden sich häufig darin wieder. In der Auswertung diskutieren wir, was es für Auswirkungen für die Schauspieler_innen haben kann, wenn diese Filme ins Internet gestellt werden. Die Gleichwertigkeit aller Menschen ist ein universelles Menschenrecht und ein Grundwert des menschlichen Zusammenlebens. Dieses zu erkennen und im gesellschaftlichen Kontext danach zu streben, benötigt eine feste eigene Wertevorstellung und politische Urteilsfähigkeit. Dieses Seminar ist ein sehr guter Beitrag zum Globalen und Interkulturellen Lernen in internationalen Begegnungen.

2.3.2. Methoden
World-Café – auf Flipchartpapieren stehen Fragen zu Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, die im Rotationsprinzip beantwortet werden. Man kann die Notizen der anderen lesen und bekommt einen Einblick in die Erfahrungen und Ansichten der Gruppe.

Stille Diskussion – auf verschiedenen Pinnwänden sind Einstiegsfragen zur Gesellschaft und zum Umgang mit Menschen notiert. Nun gehen die Teilnehmenden rum und schreiben ihre Meinung dazu. Die/der Nächste reagiert darauf usw. Diese Methode unterstützt die Präzisierung von Aussagen, da man nicht unbegrenzten Raum und Zeit hat zu antworten.

Learning by Doing – Alles was mit der Entstehung eines Films zu tun hat, wird selbst erledigt. Die Referent_innen begleiten die Arbeitsprozesse ganz eng an der Gruppe und geben Einführungen in die Technik und Software.

2.4. Anti-Diskriminierungsarbeit – Soziales und Interkulturelles Lernen, Wertebildung

2.4.1. Darstellung und Lernziel
In der Anti-Diskriminierungsarbeit ist es wichtig, die eigene Haltung zu hinterfragen und kritisch mit den vorherrschenden Machtverhältnissen umzugehen. Dazu gehört auch das Erkennen der gesellschaftlichen und politischen Mechanismen und Institutionen, die Ungleichbehandlung und Abwertung reproduzieren oder sogar verstärken. Vorurteile sind kein Phänomen einzelner Personen, sondern basieren auf vorherrschenden gesellschaftlich oder im kulturellen Milieu geteilten Bildern und Bewertungen, die es gilt, sichtbar zu machen und daraus Handlungsmöglichkeiten für sich selbst und – in einem weiteren Schritt – auf gesellschaftlicher Ebene zu entwickeln.

2.4.2. Didaktische Methoden (Auswahl)
Ich – Nicht ich – Die beiden Positionen werden im Raum sich gegenüber angebracht und die Teilnehmenden positionieren sich entsprechend ihrer Antwort auf die gestellten Fragen. Es lassen sich Unterschiede/Zugehörigkeiten innerhalb der Gruppe sichtbar machen. Die Methode dient dazu, den Blick auf eine vermeintlich homogene oder auch heterogene Gruppe aus verschiedenen Perspektiven aufzuzeigen.

Barnga – ein stilles Würfelspiel in Kleingruppen, bei dem einzelne Spieler_innen rotierend den Spieltisch wechseln, ohne zu wissen, dass die Spielregeln am Aufnahmetisch andere sind, als am Herkunftstisch. Das gibt die Möglichkeit über Macht, Minderheiten, kulturelle und soziale Praxis zu sprechen.

Meine eigene Herkunft – Dabei wird der benannte Text von Noah Sow aus „Deutschland schwarz weiß“ gelesen. Die Teilnehmenden sollen im Anschluss raten, um welches Land es sich handelt und wie sie darauf kommen. Es schließt sich eine kritische Auswertung der verwendeten Sprache an und bildet die Brücke zur Auseinandersetzung mit diskriminierender Sprache.

Eigene Diskriminierungserfahrungen – gibt dem Teilnehmenden die Möglichkeit sich im geschützten Raum mit eigenen Erfahrungen auseinander zu setzen, als Diskriminierte_r und Diskriminierende_r. Diese Übung hilft beim Reflektieren des eigenen Umgangs mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden und unterstützt das Verständnis für kulturelle, religiöse oder politische Unterschiede.

Nehmen Sie Kontakt auf

+49 3381 213860

Adresse

Stiftung Begegnungsstätte Gollwitz
Schlossallee 101
14776 Brandenburg OT Gollwitz

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